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# 1001
Vier Monate lang tauche ich mit dem Smartphone in die virtuelle Welt der SocialMedia (Facebook, Instagram, etc.) ein und werde zur kritischen Beobachterin eines digitalen KOSMOS. Diese Arbeit ist ein Experiment. Ein Experiment will eine Ahnung – oder eine Vorahnung, vielleicht auch nur ein Unbehagen – durch eine Untersuchung beweisen, das heisst: ich schaue genau hin und werde als Beobachterin
gleich zu einer Teilhaberin an mir fremden und meistens sehr intimen Welten, und das in einem globalen Kontext: ich surfe, zum Beispiel, durch den Alltag eines Japaners, ich nehme teil an obskuren Autofahrten in irgendeinen amerikanischen Bundesstaat, ich erlebe die
Zelebrierung von «Person» und «Persona».
Mein Experiment besteht darin, dass ich mich auf diese ungeheure Bilderflut einlasse und darauf künstlerisch reagiere: aufmerksam beobachtend und mich selber dabei fragend: Was macht das mit mir persönlich? Verändert sich meine Bildgedankenwelt dadurch?
Schnell merke ich: Ich bin mit einem hochgradig ich-bezogenen KOSMOS konfrontiert und einer umfassenden Praxis der Veröffentlichung
von LEBENSWELTEN - die Menschen teilen mit ihren «posts» für sie wesentliche und bedeutende Dinge mit, sie setzen sich aus und hoffen
«gesehen» zu werden, ja sogar «erkannt» in ihrer persönlichen Einmaligkeit.
Ich suche eine Methode, wie ich künstlerisch auf diese immense Flut von Bildern reagieren kann. Ich entscheide mich für analoge Techniken des Malens, des Zeichnens, arbeite aber auch mit Digi-Prints und setze Bildprogramme ein zur Veränderung von «found footage». Thematisch nehme ich den Kerngedanken der «posts» auf – das SELBST, beziehungsweise die Selbstdarstellung als künstlerisches Medium, das PORTRÄT, und zwar im engeren wie im weiteren Sinne. Es entstehen 1001 Bilder im Format A5 – ein bewusster Hinweis auf die Märchenwelten aus «1001 Nacht». Im Beobachten jener digitalen Fremd-Welten kristallisiert sich schnell eine kritische Haltung gegenüber diesem Selbst-Inszenierungs-Wahn heraus. Lebe ich in einer narzisstischen Gesellschaft? Wird die Gesellschaft immer unkritischer? Und: Ist meine Arbeit eine Begegnung mit dem verlorenen Selbst einer Gesellschaft?
Bin ich Teil dieser virtuellen Gesellschaft, wenn ich ein Smartphone besitze? Kann ich mich da auch bewusst rausnehmen? Geht das überhaupt noch? Was sehe ich: Wahrheit oder Scheinwahrheit? Ich sehe Rollen, Inszenierungen, Selbstdarstellungen, Persönlichkeits- spiegelungen, ich sehe Inner- und Äusserlichkeiten, vor allem aber sehe ich: KÖRPERLICHKEIT.
Dieser Spur – der KÖRPERLICHKEIT – folge ich in meinen Arbeiten als eine Widerspiegelung der digitalen Welten in mir selbst: was bei mir
selber ist «Wahrheit» oder «Scheinwahrheit», wo «inszeniere» ich selber, was für ein Konzept von «Körperlichkeit» zeigt sich in meinen Arbeiten, wenn ich auf die vielen «posts», die ich beim Surfen sehe, reagiere? Das Smartphone zeigt sich als neues Körperorgan. Warum? Überall will es dabei sein. Es drängt sich auf. Ich fühle mich nackt ohne dieses Stück Plastik. Ich erlebe eine Veränderung in meinem Mensch-
Sein - alles wird digitalisiert. Gefühle, Sprache, Gedanken, Berührungen, Nähe, Zuneigung, restlos alles fällt dem neuen Zustand zum Opfer.
Meine Bilder verstehen sich als Filter, sie sind der Schnittpunkt der realen, äusseren Welt und der surrealen-abstrakten innerlichen Welt.
Jedes einzelne Bild schreibt und erzählt eine Geschichte: 1001 Bilder im Format A5. Der Betrachter wird mit dieser Bilderwelt gefordert,
aber als Reisender eingeladen, in meine intime und analoge Welt einzutauchen.